Offene Wissenschaft und Innovation verbessern die Verfügbarkeit von Wissen, sie ermöglichen aber auch gleichzeitig gesellschaftliche Teilhabe.14 Eine breite Beteiligung der Gesellschaft am Innovationsprozess sowie ein gegenseitiger Wissensaustausch sollten politisch verstärkt gefördert werden, um gemeinsam neue Lösungen zu entwickeln und das Vertrauen in eine demokratische Wissensgesellschaft zu erhöhen.
Einbindung und Teilhabe der Gesellschaft stärken: Seit einigen Jahren wachsen das Interesse und die Beteiligung von Bürgerinnen und Bürgern an Forschung und Innovation.15 Ermöglicht wird die Einbeziehung von Wissen und Perspektiven der Bürgerinnen und Bürger durch eine Vielzahl methodischer Ansätze:16 Bürgerdialoge, Ko-Kreation (z. B. Hackathons), Crowd Science,17 partizipative oder transdisziplinäre Forschung und Bürgerforschung (Citizen Science). Die Ziele sind u. a. eine bessere Nutzerzentrierung sowie die Auseinandersetzung mit Wissenschaft (Science Literacy) und Stärkung des politischen Engagements der Bürgerinnen und Bürger. 18 Bisher finden sich Beteiligungsansätze in unterschiedlicher Ausprägung, etwa in der partizipativen Stadtgestaltung (z. B. „Open LabNet“ 19 in Halle), in Naturschutzprojekten (z. B. „BerlinAir NO2-Atlas“ 20), in Gesundheitsstudien (z. B. „Migräne-Radar“ 21) sowie in der Pandemieerforschung (z. B. „Coronaarchiv“ 22).
Die Beteiligung der Gesellschaft an Wissenschaft und Innovation wird in Deutschland und der EU bereits politisch gefördert. 23 Das Hightech-Forum empfiehlt, Partizipation im deutschen Forschungssystem weiter zu fördern, evaluativ zu begleiten und mit ausreichenden Ressourcen auszustatten.
Das Verständnis der Beteiligung muss dabei deutlich über die Wissenschaftskommunikation hinausgehen und auf allen Stufen der Wissensproduktion gefördert werden, um Wertschöpfungspotenziale zu eröffnen: bei der Identifikation von Forschungsfragen, der Gestaltung des Forschungsprozesses, der Analyse sowie bei der Innovations- und Geschäftsmodellentwicklung („Citizen Innovation“, z. B. „Civic Innovation Challenge“ der National Science Foundation 24). Die Umsetzung könnte durch Integration der verschiedenen Gruppen in Ausschreibungen erfolgen, z. B. bei der disziplinübergreifenden Forschung zu Künstlicher Intelligenz (KI).
Beteiligung kann über eine stärkere Zusammenarbeit zwischen Wissenschaft und Schulen gelingen (z. B. „Plastikpiraten“ 25 oder „Ring-a-Scientist“26), über öffentlichkeitswirksame Veranstaltungen oder über die Schaffung dialogorientierter Räume, in denen partizipative Innovationsformate erprobt werden können, z. B. in Zusammenarbeit mit zivilgesellschaftlichen Plattformen, Wissenschaftsläden, Bibliotheken und Museen, aber auch mit Arztpraxen, Vereinen oder Medien. Für eine breitere Öffnung und die einfachere Vernetzung zwischen Bürgerinnen und Bürgern und Forscherinnen und Forschern sind die digitale Kommunikation und Plattformen vielversprechend. Sie müssen jedoch mit Blick auf einen diskriminierungsfreien Zugang und klaren Regeln im Umgang mit persönlichen Daten (z. B. im Medizin- und Gesundheitsbereich oder in der Zusammenarbeit mit Schülerinnen und Schülern) umgesetzt werden.
Die Beteiligungsformate und Forschungsansätze müssen weiterentwickelt und laufend verbessert werden. Hierfür sollten Begleitforschung und Evaluierung gefördert werden, um zu verstehen, inwieweit eine aktivere Beteiligung zu neuartigen und bedarfsgerechten Lösungen beitragen und das Vertrauen in Wissenschaft sowie die Selbstwirksamkeit (Empowerment) stärken kann. In diesem Sinne ist es auch wichtig, Bürgerinnen und Bürger oder zivilgesellschaftliche Akteure häufiger in Evaluierungen und Monitoring-Gremien (z. B. Beiräte) einzubeziehen und Bewertungsmaßstäbe entsprechend neu zu diskutieren. Für eine höhere Sichtbarkeit und Wertschätzung der (Transfer-)Leistung von partizipativen Formaten sollten Forschungspublikationen den Beitrag gesellschaftlicher Akteure ausweisen (Diversitätskriterium). Dies ermöglicht dann auch Datenbankabfragen z. B. im Hinblick auf Evaluierungen.
Die strategische Öffnung von Forschung und Innovation erfordert auch, Fragen der Datenqualität und der Ethik kontextabhängig zu diskutieren und eventuell neue Standards zu definieren. Zudem sollten praxisorientierte Beratungsangebote (z. B. an Hochschulen oder bei den Industrie- und Handelskammern) und neue Kommunikationskanäle eingerichtet werden, um den Beratungsbedarf zur Umsetzung von partizipativen Forschungs- und Innovationsprojekten zu bedienen und Best Practices zu teilen (z. B. „SciStarter“ 27).
Forschung durch Öffnung von Unternehmens- und Verwaltungsdaten fördern: Unternehmen und Behörden sind im Besitz großer Datenmengen, die für die Forschung von hohem Nutzen sind, z. B. Mobilitätsdaten, Umweltdaten oder Daten der Land- und Forstwirtschaft für die Forschung zum Klimawandel. Gerade bei Big-Data-Analysen und -Erhebungen und damit verbundenen Innovationen haben einzelne Unternehmen starke Forschungsansätze und sogar Vorsprünge gegenüber der öffentlichen Wissenschaft. Das sollte nicht beklagt, sondern produktiv genutzt werden. Um diese Datenschätze für Forschungszwecke zugänglich zu machen, sind allerdings eine Vielzahl an Hürden zu überwinden. So fehlen beispielsweise Anreize, Infrastrukturen und Kenntnisse in der Wissenschaft, Wirtschaft und in öffentlichen Einrichtungen für die Nutzbarmachung dieser Daten.
In Zeiten der Digitalisierung sind Daten ein zentraler Wettbewerbsfaktor für Unternehmen und gelten zusehends als immaterielle Vermögenswerte.28 Einer Öffnung und Weitergabe solcher Daten stehen daher oftmals wirtschaftliche, aber auch rechtliche Bedenken entgegen. Die Empfehlungen der Datenethikkommission zu einer kontrollierten Öffnung personenbezogener und nicht personenbezogener Daten für Forschungszwecke unter Abwägung der unterschiedlichen Interessen sind hier höchst relevant (z. B. Entwicklung von Standards der Anonymisierung 29).
Die Potenziale von offenen Daten werden in Deutschland noch zu wenig genutzt und zu wenig kommuniziert. Neben Erkenntnisgewinnen in der Wissenschaft liegen hier auch große Chancen für Unternehmen, die sich aus privatöffentlichen Kooperationen ergeben. Ein Beispiel ist das Structural Genomics Consortium 30, in dem internationale Unternehmen und Forschungseinrichtungen Informationen teilen und gemeinsam in neuen Bereichen der Humanbiologie und der Wirkstoffforschung kooperieren. Es gibt eine Reihe von Kooperationen, die von der Wissenschaft und den Unternehmen getragen werden – auffällig ist, dass diese häufig im angelsächsischen Bereich initiiert werden und dann Partner aus Deutschland dazukommen. Ein Ziel müsste es sein, dass solche Initiativen auch aus Deutschland heraus angestoßen werden. Den Aufbau und die Rahmenbedingungen neuer, datenbasierter Geschäftsmodelle hat das Hightech-Forum in dem Impulspapier „Zukunft der Wertschöpfung“ adressiert. 31
In der Forschungs- und Innovationsförderung sollte der Aufbau neuer Partnerschaften und geschützter (digitaler und physischer) Räume unterstützt werden, in denen privatwirtschaftliche und staatliche Akteure ihre Datenbestände öffnen können und gleichzeitig geltendes Datenschutzrecht – auch in internationalen Forschungskontexten – berücksichtigen. Der Einsatz von Intermediären 29, 32, z. B. staatliche Datentreuhandmodelle oder Datenkooperativen, ist zu prüfen und gegebenenfalls zu erproben. Um die Aufbereitung und kontrollierte Öffnung entsprechender Datenbestände in Unternehmen zu inzentivieren, sollten diese Aktivitäten unterstützt werden (z. B. über Förderprogramme oder Lizenzierungsmodelle). Der Staat sollte hier als Vorbild für eine Kultur und Praxis der kontrollierten Öffnung vorangehen. Relevante Daten sollten bundesländerübergreifend und datenschutzkonform über das Portal „govdata.de“ 33 veröffentlicht werden. Das Hightech-Forum empfiehlt zudem, staatliche „Datenspenden“ als Teil der Forschungsförderung (ergänzend zur finanziellen Förderung) zu etablieren.
Forschungsergebnisse besser in die Anwendung bringen: Im Vergleich zu führenden Innovationsstandorten gelingt es in Deutschland oft nicht, die exzellente Grundlagenforschung in eine wirtschaftliche Anwendung zu überführen. Das „Valley of Death“ 34 – die Lücke zwischen öffentlich geförderter Grundlagenforschung und wirtschaftlicher Anwendung – ist eines der zentralen strukturellen Hindernisse des Technologietransfers. Die geringe Verfügbarkeit von Wagniskapital für Gründungen aus der Wissenschaft, aber auch ein rigider Rechtsrahmen sowie eine unzureichende Gründungskultur behindern den Erkenntnis- und Technologietransfer. 35
Die Arbeitsteilung zwischen den universitären und außeruniversitären Forschungseinrichtungen (u. a. in der Grundlagen- und angewandten Forschung) gilt als Stärke des deutschen Innovationssystems. Es empfiehlt sich, im Rahmen einer Transfer-Wertschöpfungskette von unabhängiger Stelle prüfen zu lassen, wo mehr Offenheit und Transfer nötig wären. Dafür müssen konkrete Übergabepunkte und Kooperationsmodelle identifiziert werden, um den Technologietransfer und die Ausgründungsquote im deutschen Innovationssystem zu verbessern.
Im Sinne einer effizienteren Verknüpfung und einem stärkeren Austausch zwischen Wirtschaft und Akademia sollten neue Anreize für Kooperationen zwischen Universitäten und Unternehmen entwickelt werden, die staatlich geförderte Programme mit klarem Anwendungsbezug hebeln. In den Hochschulen sinken die Drittmittel für Forschungsprojekte aus der gewerblichen Wirtschaft prozentual nämlich kontinuierlich (26,2 Prozent, 2006; 18,6 Prozent, 2018).36
Zudem sollte es Angestellten in Hochschulen und Forschungseinrichtungen – zumindest zeitweise – ermöglicht werden, einen Teil ihrer Arbeitszeit für Gründungsaktivitäten einzusetzen und so ihre Forschungsergebnisse weiterzuentwickeln bzw. zu kommerzialisieren (vgl. USA 37). Für die Umsetzung höherer Ausgründungsquoten müssten diese als Erfolgsindikatoren höher gewichtet und stärkere finanzielle Anreize gesetzt werden. Schließlich sollten bereits existierende Instrumente für den Wissens- und Technologietransfer bedarfsorientiert in die breite Anwendung kommen. Dazu zählt die Umsetzung von Living oder Open Innovation Labs als Experimentierräume für Wirtschafts- und Forschungspartner, in denen Prototypen und standardisierte Verfahren entwickelt und erprobt werden können (z. B. Smart-City-Anwendungen). Transferzentren und Transferscouts sollten danach bewertet werden, ob sie als Vermittler und regionale Experten die relevanten Kompetenzen, Infrastrukturen und Kapitalquellen miteinander vernetzen (z. B. „Innovation Hub 13“ 38).
Eine offene und agile Förderarchitektur etablieren: Die öffentliche Innovationsförderung und ihre Formate zielen bereits häufig auf konkrete gesellschaftliche Herausforderungen. Dies ist mit Blick auf Forschungsrelevanz und Nutzen für die Gesellschaft zu begrüßen. Der Weg zur Problemlösung muss jedoch dynamischer, d. h. agil gestaltet werden – wie vom Hightech-Forum bereits empfohlen. 39 Um mehr Offenheit und gesellschaftliche Teilhabe an Forschung und Innovation zu fördern, müssen diese durch entsprechende Anforderungen und Kriterien in den Förderprogrammen und im Vergabeprozess berücksichtigt werden (z. B. Berücksichtigung des erhöhten Koordinierungsaufwands zwischen verschiedenen Akteuren oder durch die Einbindung von Open Innovation in Science Module 40). Die Nutzbarmachung nichtakademischer Daten aus Wirtschaft und Verwaltung sollte in Förderprogrammen explizit adressiert und mit Ressourcen unterstützt werden.
Weiterhin sollte die Möglichkeit eines dynamischen Umsteuerns bei neuen Erkenntnissen oder sogar des Scheiterns und eine Fehlerkultur in der Forschungsförderung stärker akzeptiert und anerkannt werden. Dies erfordert Freiräume, auch bei Kooperationen, und Erprobungsphasen für unkonventionelle und ergebnisoffene Forschungsideen (z. B. das Förderprogramm „Experiment! – Auf der Suche nach gewagten Forschungsideen“ 41 der Volkswagen Stiftung oder der Hackathon „WirVsVirus“ 42 der Bundesregierung). Erfahrungen mit diesen Praxisbeispielen oder mit gescheiterten Projekten sollten aufbereitet und gegebenenfalls auf weitere öffentliche Förderprogramme übertragen werden.
Eine Förderlogik, die auf Iteration, Testen und Neujustieren setzt, erfordert entsprechende rechtliche und finanzielle Rahmenbedingungen. Das Zuwendungs- und das Haushaltsrecht der Forschungsförderer sollten diesbezüglich geprüft und weiterentwickelt werden. Dies könnte z. B. entlang einer ausgewählten Förderrichtlinie mithilfe einer Regulatory Sandbox 43 erfolgen.
12. April 2021 16:17 Kommentar von ATG:biosynthetics GmbH
Sehr interessante Beiträge sehe ich hier und jeder der Beteiligten sieht, dass Strukturen von Interdisziplinarität, die logische Integration von Wissensfeldern und informeller Austausch von großer Bedeutung für die Umsetzungseffizienz und die Angleichung an internationale Standards und deren Fortschritt essenziell sind.
Als Unternehmer im Biotechnologiebereich bin ich vielleicht schon etwas in einer exotischen Situation. Aber ich habe mich damals schon ab 1995 während der Biotechnologieinitiative „BioRegio“ (ein erstes Aufbäumen angesichts der Erkenntnis von Mittelmässigkeit bei der Umsetzung von Spitzenforschung in die Märkte im Vergleich zu den USA in meinem Fachbereich Biotechnologie Synthetische Biologie) engangiert und ich finde es nach wie vor wichtig in Deutschland effiziente Innovationsstrukturen zu etablieren. Die Lehre von Bioregio, die auch die etablierten Strukturen in Frage gestellt hat und eine Aufbruchstimmung erzeugte, wurde allerdings nicht umgesetzt. Das ist ist für mich als damals direkt involvierter Akteur damals bedrückend.
Es wurde seinerzeit mit überaus hohem Engagement sehr vieler Freiwilligen und instutitionellen Protagonisten vieles bis ins Detail analysiert, aufgeschrieben. Aber es hat sich wenig geändert. Es wurden viele sehr gute Erkenntnisse geschaffen, aber leider, die Realität hat uns alle eingeholt. Ich bin hier sehr skeptisch, ob am Ende nur heisse Luft war und die wertvolle Zeit und das Engagement nicht verpufft.
An höchster Priorität der Forderungen scheint mir die Verlässlichkeit der Politik zu sein planbare Perspektiven aufzubauen und nicht legislaturbezogen ein „hü und hott“ zu veranstalten (Hintergrund: Hatten Kanzler Kohl und Rüttgers die Bioregio in die Welt gesetzt und die Gründung einer Vielzahl von kleinen Biotechnologiefirmen induziert, war Schröder in der folgenden Legislaturperiode an der Fortsetzung dieser Politik nicht mehr interessiert. Frau Merkel setzt dann Jahre später auf die großzügigste Finanzierung der Großforschungseinrichtungen Helmholtz Leibnitz zusätzlich zu den Bekannten – damals nur Westorganisationen. So kamen über die Jahre die vielen kleinen Initativen meist wieder unter die Räder, weil sich für sie keiner mehr wirklich interessierte.
Dies impliziert und unterstützt die Forderung nach Strukturen der Kontinuität, aber auch der Selektion. In einem Projekt mit der Fraunhofergesellschaft in KA wurden wiederholt nun für den Bereich „Synthetische Biologie“ im Projekt „TESSY“ die Rahmenbedingungen analysiert und Vorschläge gemacht, wie man die Strukturen so verändern kann, dass sich positive, wertvolle Entwicklungen in evolutiven Förderstrukturen der Entwicklung zum Markt hin, weiter durchsetzen können und die Gieskanne in der Finanzierung in der Folge zurückgedrängt wird. Man hat das Gefühl es findet in der Gesellschaft keine Verwertung des erarbeiteten Wissens statt. Es wird immer nur Potenzial geschaffen aber der Abfluss des Potenzialstromes erfolgt nur in sogenannten Kriechströmen an den Leistungserzeugern vorbei, ohne wirklich Leistung abzugeben. Hier werden eindeutig seit Jahrzehnten „wider besseren Wissens“ die teuer finanzierten, wertvollen Erkenntnisse zu Tode verwaltet. Eine kleine Episode zum Thema: Nach acht Jahren der Förderung eines Grundlagenthemas mit Umsetzungspotenzial am Markt durch das BMBF war die Förderung zu Ende und man suchte in den Programmen eine Förderung, die eine weitere Entwicklung der bereits erfolgreich entwickelten und getesteten Technologien. Nun war der involvierte Professor großzügig und und bot für eine kommerziell verwertbare Entwicklung sein „Tafelsilber“ an – aussichtsreiche Verbindungen, die zur Bioproduktion gebracht werden sollten. Nun war nach acht Jahren über drei Jahre hinweg nicht eine Förderungsmassnahme, die uns das Projekt gefördert hätte. Der Antrag liegt bis heute auf Eis. So wird gutes Geld vernichtet, nicht nur die viele Zeit, die viele hochbezahlte Menschen investieren, um erfolglos zu sein mit zuvor hochbewerteten Vorhaben.
In diesem Land herrscht diesbezüglich ein Unterlassungswahnsinn. Die Volkswirschaft wird nur solange Geld in Innovation investieren können, solange sie genügend Rückflüsse aus erfolgreichen Entwicklungen hat. Bei diesem Ausmass an Erzeugung heisser Luft, durch Reibungshitze und Reibungsverluste durch nicht kompatibe und unsinnige Strukturen wird ihr langfristig die Puste ausgehen.
Wenn man ein innovatives Potenzial mühselig über Jahre aufgebaut hat, und dann fliesst in die Umsetzung, den Strom, kein Geld, dann war doch alle Müh umsonst und eine Fehlinvestition reiht sich an die nächste. Es fehlt fast jede Form einer Anschlussfinanzierung für die immer geforderte Anschlussfähigkeit der Projekte. Das „Valley of Death“ wurde im ersten Beitrag schon genannt. Man muss hier nichts mehr hinzufügen. Es gibt von dem Author dieses Beitrages weitere interessante Erfahrungen, die in die gleiche Richtung der behördlichen Zeitvernichtungsmaschnerie zeigen – mit unterschiedlichen Protagonisten. Nun es sind Erfahrungen und diese haben sich an der gelebten Realität messen müssen – ich denke genau diese sind besonders interessant.
19. Oktober 2020 10:29 Kommentar von Johannes Eckert | Future as a present | Wissenschaftskommunikation
Thema „Forschungsergebnisse besser in die Anwendung bringen“
Im Zusammenhang mit einer erweiterten Bereitstellung von Wagniskapital, gerade für Ausgründungen von Hochschulen und außeruniversitären Forschungseinrichtungen sei auf das Positionspapier „Lückenschluss“ von der Bundesagentur für Sprunginnovation hingewiesen, die hierfür konkrete Vorschläge zusammengestellt haben.
https://www.sprind.org/de/artikel/Lueckenschluss/
18. Oktober 2020 16:32 Kommentar von Johannes Eckert
Punkt 1: Daten, Forschung und Innovation mit und für die Gesellschaft
Als ein konkreter Ansatz bietet sich der RIS3-Konzept [1] der Europäischen Union im Rahmen der Smart Specialisation Strategy (S3) [2,3] an. Dabei werden „Research and Innovation Strategies“ für eine Region durch ein „Quadruple Helix Format“ [4] erstellt. Dabei sind Akteure aus Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und soziale Initiativen eingebunden, um gemeinsam regionale Zukunftsperspektiven zu entwicklen, die in der Folge in entsprechende europäische Förderprogramme aufgegriffen werden. Ein konkretes Beispiel hierfür bietet das Bundesland Bremen, dass im Rahmen von S3 das EcoMat-Center (Eco-efficient Materials & Technologies) [5] konzipiert und umgesetzt hat. Seit dem Jahr 2019 sind dort rund 500 Forscher:innen [6], z.B. vom DLR und Fraunhofer IFAM tätig. Durch ein solches Gesprächs- und Kooperationsformat können eine Vielzahl der im Punkt 1 genannten Themen adressiert werden, die dann auch in konkrete Schritte und Projekte münden können. Aufgrund des europäischen Bezugs können sich dadurch auch gerade für Wissenschaftler:innen neue Möglichkeiten bieten, z.B. durch mögliche Kooperationen mit dem EIT [7] und dessen Innovationsthemen, dem JRC [8] oder der BBI JU [9].
[1] RIS3: https://s3platform.jrc.ec.europa.eu/s3-guide
[2] S3 Platform: https://s3platform.jrc.ec.europa.eu/
[3] BMBF: https://www.eubuero.de/regionen-intelligente-spezialisierung.htm
[4] Quadruple Helix Format: https://www.s3platform.eu/1-governance/
[5] EcoMat: https://kurzelinks.de/vk6i
[6] Webseite: https://ecomat-bremen.de/
[7] EIT: https://eit.europa.eu/
[8] JRC: https://ec.europa.eu/jrc/en
[9] BBI JU: https://www.bbi-europe.eu/
Punkt 2: Offenheit im Wissenschaftssystem
Für dieses Thema bieten sich inhaltliche Anknüpfungen an #FactoryWisskomm [1] von Ministerin Karliczek, um die interene und externe Wissenschaftskommunikation zu fördern. Konkrete Anregungen könnte z.B. der Gedanke für eine „Agentur für zukunftsfähige Städte und Regionen“ [2, Seite 14-19] bieten, welche die Fraunhofer Morgenstadt-Initiative entwickelt hat. Diese soll die Koordination und den Wissenstransfer über bestehene Lösungen, Förder- und Bildungsprogramme mit Städten und Regionen übernehmen. Dieser Ansatz könnte eventuell auch Anregungen für die Offenheit des Wissenschaftssystems bereithalten, um die interne und externe Kommunikation noch stärker als bislang zu fördern. So könnten z.B. eine „Agentur für wissenschaftliche Kommunikation“ Forschungsergebnisse zu inhaltlichen Themenclustern („Energie“, „Kreislaufwirtschaft“, „Bioökonomie“, „Chemie“, „Materialien“, „Gesundheit“, etc.) zusammenstellen, um so die bereits bestehenden Netzwerke aus Universitäten, außeruniversitären und privaten Forschungseinrichtungen zu stärken. Eine solche Agentur könnte sowohl den Informationsfluss innerhalb dieser Netzwerke befördern, als auch Ansprechpartner für externe Wissenschaftskommunikation für Öffentlichkeit, Bildungsinstitutionen, Medien, Unternehmungen oder Politik sein. Dazu könnten auch in den einzelnen Regionen sichtbare Anlaufstellen geschaffen werden, um auch vor Ort ansprechbar zu sein, z.B. um (digital begleitete) Bildungsprogramme in Kooperationen mit Schulen zu entwickeln. Hierfür könnten sich möglicherweise auch inhaltliche Anknüpfungen an das „Quadrupele Helix Format“ von der Smart Specialisation Plattform finden, sowie an die Programme von „Science meets Parliament“ und „Science meets Regions“ [3] vom JRC der EU-Kommission.
[1] #FactoryWisskomm: https://kurzelinks.de/ngbk
[2] Positionspapier: https://kurzelinks.de/8a5l
[3] Science meets Parliament|Regions: https://kurzelinks.de/y1tw
Punkt 3: Politische Rahmenbedingungen und Infrastrukturen
Im Hinblick auf Offene Wissenschaft (Open Science), Offene Innovation (Open Innovation) und Themenbereiche wie Open Data (freier Zugang zu Daten), Open Access (freier Zugang zu Publikationen) oder die Anwendung der FAIR-Prinzipien, stehen diese in einem engen Zusammenhang mit digitaler Technik. Obwohl das World Wide Web und die Hypertext Markup Language (HTML) im Jahr 1999 vom Informatiker Herr Berners-Lee [1] am Forschungszentrum Cern in Genf entwickelt wurde, damit Wissenschaftler:innen ihre Forschungsergebnisse teilen und mit entferneten Kollegen besprechen zu können, fehlen bis heute gute und einfach nutzbare digitale Software-Werkzeuge, um dies tatsächlich zu ermöglichen. Forschungsberichte werden zum Teil noch heute mit MS-Word-Dokumenten oder LaTeX erstellt, als PDF publiziert und über soziale Medien wie z.B. Twitter kommuniziert und kommentiert. Hier wäre ein großer Bedarf für innovative Software-Ansätze vorhanden, um die digitale wissenschaftliche Kommunikation einfacher und intuitiver zu gestalten, z.B. um all dies technisch in einen Browser zu integrieren. Da Internet-Dienste wie z.B. E-Mail oder IRC nicht in das World Wide Web integriert sind (aber ebenfalls auf dem TCP/IP aufbauen), wäre hier die Möglichkeit gegeben nach Lösungsmöglichkeiten Ausschaus zu halten. Als inhaltliche Anregung zu dieser Frage sei dazu einmal auf das offene Protokoll „Chat Over IMAP (COI) – the universal chat protocol“ [2] für Messenger-Dienste hingewiesen, der auf dem offenen E-Mail Standard IMAP and SMTP aufbaut. Dieses wurde von der Unternehmung OpenXChange entwickelt, deren Gründer Herr Laguna [3] nun in neuer Funktion als Gründungsdirektor die Bundesagentur für Sprunginnovationen (SprinD) in Leipzig leitet. Zu diesem Thema sei als inhaltliche Anregung auch der Vortrag von Computer-Pionier Alan Kay am Hasso-Plattner-Institut (HPI) in Potsdam mit dem Titel „Programming and Scaling“ [4] genannt. Dort findet sich auch das folgende Zitat [15:50 – 17:10]: „So TCP/IP is a kind of a universal DNA, for an architecture of billions of notes, in a dynamic system that is never been stopped. … I am not talking about the Web of course, Web is a mess, but the internet was done by experts you had a couple of those guys Vince Cerf and Bob Cahn here in different times, these guys knew what they were doing.“ Ergänzt zu dieser Frage sei auch das Projekt „STEPS Toward Expressive Programming Systems“ (STEPS) [5], das von der National Science Foundation in den USA gefördert wurde, an dem u.a. auch Alan Kay beteiligt war, in dessen Rahmen auch eine Benutzeroberfläche [6] für das Internet entwickelt wurde. Im Hinblick auf die Themen von Open Science|Innovation|Data|Access und den FAIR-Prinzipien könnten sich in diesen Überlegungen eine reiche Anzahl von Anregungen finden, die auch inhaltliche Anknüpfungen wie z.B. der European Open Science Cloud (EOSC) und dem Dateninfrastrukturprojekt GAIA-X mitbringen könnten. Als Fußnote zum Thema Open Data sei als Gedanke ergänzt, dass auch Produktdaten z.B. bei Plastik, Kleidung, Elektrogeräten oder Baumaterialien, wichtige Grundlagen für die Entwicklung einer digital gestützten Kreislaufwirtschaft mitbringen.
[1] FAZ: https://kurzelinks.de/izas
[2] Chat Over IMAP: https://www.coi-dev.org/
[3] Herr Laguna: https://www.sprind.org/de/wir/
[4] Vortrag „Programming and Scaling“: https://www.tele-task.de/lecture/video/2772/
[5] STEPS Abschlussbericht 2012: http://www.vpri.org/pdf/tr2012001_steps.pdf
[6] STEPS Annual Report 2010: http://www.vpri.org/pdf/tr2010004_steps10.pdf
15. Oktober 2020 14:24 Kommentar von Wiebke Müller-Lupp, CAU - Wissenschaftszentrum Kiel GmbH
Liebes Team, danke für die Möglichkeit der Kommentierung, der ich gerne nachkomme. Das Impulspapier finde ich sehr treffend und zielführend.
Ich frage mich, ob wir in dem Text den Beteiligungsprozess noch weiter öffnen können? Auf Seite 4 wird z.B. unter Beteiligung von „dialogorientierten Räumen“ gesprochen (finde ich super!), wäre es hier aber nicht auch möglich den Kreis noch auf Beteiligung von IHK, UVs etc. zu erweitern? So wird es noch deutlicher, dass die Verwertung von Wissen auch eine wirtschaftliche Verwertung einbezieht und diese auch als Partner in der partizipativen Forschung willkommen sind.
Ergänzung für Seite 4, zum Thema Beteiligung: „rent-a-scientist“, Nacht der Wissenschaft Kiel https://www.wissenschafftzukunft-kiel.de/nacht-der-wissenschaft.html
Anreize für Forschende zu schaffen, sich stärker für Transfer zu engagieren, ist in meinen Augen ein wesentlicher Punkt (vergl. S. 6). Die Frage „warum sollte ich das tun“ lässt vieles im Keim ersticken. Gerade, wenn der Forschende wirtschaftliche Interessen als Motivation sieht. Dialogräume sind hier wichtig, die den Perspektivwechsel der Akteure ermöglichen. Das Papier nimmt das gut auf.
Herzliche Grüße aus Kiel.