Eine offene Innovationskultur ist ein europäisches Gemeinschaftswerk. Um das zu gestalten, sind eine konsistente Governance von Innovationsprozessen und das Zusammenwirken aller politischen Ebenen, von der EU-Ebene bis hin zur Kommune, erforderlich. Europäisches Denken lokal verankern und global wirksam werden lassen: Internationale Partnerschaften und neue institutionalisierte Schnittstellen zwischen Gesellschaft, Wissenschaft und Politik ermöglichen es, in einem vernetzten System Innovationsverantwortung zu praktizieren. Die Außenperspektive als internationaler Austausch, z.B. internationaler Innovationsdialog, ist wesentlicher Bestandteil der deutschen und europäischen Innovationspolitik.
Auf lokaler Ebene ist es entscheidend, Kommunen und Regionen als starke Innovationsakteure für eine nachhaltige Entwicklung zu befähigen, z.B. durch Investitionen und niedrigschwellige Fördermöglichkeiten. Sie müssen handlungsfähig sein, um Lösungen für die konkreten Herausforderungen vor Ort anbieten zu können. Die Bundesregierung sollte zudem Regionalförderung und Clusterwettbewerbe konsequent weiterentwickeln, um lokale, regionale und überregionale Kooperationen zwischen Wirtschaft und Wissenschaft, z.B. über Branchennetzwerke, Transfer- und Kompetenzzentren, zu stärken.
Frühzeitige und lokale Partizipationsangebote, z.B. in kommunalen Innovationsprojekten, helfen, den gesellschaftlichen Wandel und Innovation besser zu synchronisieren. Bürgerinnen und Bürger sind deutlich stärker, transparenter und routinierter in die Ausrichtung der Innovationsentwicklung einzubeziehen (z.B. durch das Konzept des Bürgerrats). Auch auf Bundesebene braucht es neue, gesellschaftliche Schnittstellen und institutionalisierte Austauschformate, die eine frühzeitige und langfristige (nicht projektförmige) Teilhabe ermöglichen. Das würde die Zusammenarbeit zwischen Zivilgesellschaft, Wirtschaft und Wissenschaft vertrauensvoll gestalten.
7. April 2021 22:57 Kommentar von Kai Lamottke
„Effektivität heißt, die richtigen Dinge zu tun.
Effizienz heißt die Dinge richtig zu tun.“
Nach P.F. Drucker
Dominate Akteure bestimmen die Themensetzung in den Bereichen, wie staatliche Forschungsförderung initiiert, betrieben und umgesetzt werden. Dies ist ebenso sichtbar in dem Ideenpapier „Eine offene Innovationskultur für eine nachhaltige Zukunftsversorgung“. Es funkeln Lösungsansätze im Text hervor. Das Papier hat insofern Schwächen, als es den strukturellen Druck auf die Innovationskultur nicht erkennt und Verschränkungen nicht explizit benennen kann. Ohne diese Herausarbeitung wird es schwer möglich sein, die Effektivität und die Effizienz im Bereich Forschung steigern zu können, damit so Fehlsteuerungen verhindert werden. Dies soll hier nachgeholt werden in der Reihenfolge: Akteure, Zielrichtung dieser und die dahinterliegenden Strukturen, um Fehlsteuerungen entgegenzuwirken. Schließlich sollen die daraus sich ableitenden Forderungen explizit genannt werden:
1) Die Akteure:
In einer freiheitlichen Gesellschaft gibt es nur einen Akteur: Die Bürger des Gemeinwesens. Sie sind die Treiber, Nutznießer und diejenigen, die für Forschungsleistung und -anstrengungen bezahlen. Daher tragen nur sie die Verantwortung und sollten die eigentlichen Subjekte sein mit denen und durch sie entsprechend legitimierte Innovationsprozesse angestoßen werden. Sie sollten als eigenverantwortliche Akteure gestärkt werden.
Es gibt keine bestimmt zugewiesene und explizit genannte Rolle, die mit der Zuschreibung von der „Wissenschaft“, der „Wirtschaft“ oder dem „Staat“ benannt. Diese Rollenzuschreibung bemächtigen sich einzelne Akteure, um ihren Forderungen Nachdruckt zu verleihen – eine Legitimität ist hier allerdings nicht ableitbar. Sie birgt im Kern damit entsprechenden Fehlsteuerungen auch in der Innovationspolitik. Um es deutlich zu machen: es gibt keinerlei Interessen eines Akteurs bezüglich „offener Innovationskultur“ oder gar „nachhaltige Zukunftsvorsorge“, den man mit „Wissenschaft“ / „Wirtschaft“ oder als „Staat“ beschreiben kann. Es könnte ein geleitetes Interesse geben, bezüglich eines Eigeninteresses, was man mit der „Wissenschaft“ beschreiben könnte, bezüglich der eigenen „nachhaltigen Zukunftsvorsorge“. Dies lässt sich aber immer auf die Ebene, des „Bürger“ herunterbrechen, wenn diese für die „Wissenschaft“ vorgibt, seine Stimme zu erheben.
2) Die Zielrichtung:
Nimmt ein Teil der Akteure für sich in Anspruch für einen vermeintlichen (dominanten) Akteur zu sprechen (die „Wissenschaft“ / der „Staat“ / die „Wirtschaft“), wird zuallererst die eigene „nachhaltige Zukunftsvorsorge“ gemeint und nicht mehr die „nachhaltige Zukunftsvorsorge“ des Gemeinwesens als Ganzes ableitbar auf der Ebene der „Bürger/in“. Dadurch kommt es zu Zielkonflikten, da „nachhaltige Zukunftsvorsorge“ Eigeninteressen verfolgen und sich diese dann strukturkonservative im Forschungsbereich äußern. Dies ist deutlich an diesem Ideenpapier zu sehen, dass es nicht schafft, aus den durchfunkelnden Erkenntnisen zum Thema klare Schwächen der derzeitigen Akteure zu benennen und daraus ableitbare konkrete Handlungsoption für eben diese Akteure zu formulieren. Dies sollte aber ureigener Daseinszweck des Hightech-Forums sein.
3) Die Struktur:
Staatlich gelenkte Ansätze für Innovationskultur sind so gut wie immer paternalistisch geprägt. Der zu fördernder Akteur findet sich immer in der Rolle des Objektes wieder – und kann nur sehr indirekt bei der Gestaltung als Subjekt Anteil nehmen. Dies spiegelt die Organisationsstruktur und die Personalpolitik staatlicher Akteure wider. Staatliche Akteure werden in unserer Gesellschaft nicht als „hochgradig technologisch kompetent“, versehen mit „exzellenten Weiterbildungsansätzen“, gar als „kundenorientiert“ wahrgenommen. Selten hört man von der Verwaltung, sie sei, „agil“ und liefert „schnelle Lösungsansätze“, sie sei „problemorientiert“ und sei in „wenigen Hierarchiestufe“ organisiert. „Leistungsgerechte Bezahlung“ und „effizient“ sind selten Kategorien, die man mit Verwaltungsorganisation des Staates in Verbindung bringt. Warum? Dies sollte uns eigentlich aufhorchen lassen. Denn es sind diese oben beschriebene Kompetenzen, die es für die ein (nachhaltige) Zukunftsfähigkeit herauszubilden gilt, um eine Struktur und den darin tätigen Menschen die Möglichkeit zu geben, lösungsorientierte und angemessen Entscheidungen zu treffen (s. Einleitungszitat). Hiesige staatliche Strukturen haben es bisher nicht vermocht, als dominante Treiber bei Innovationsvorhaben agieren zu können, da der Eigenanspruch nicht mit dem Umsetzungsanspruch übereinstimmt. Frappierend deutlich wird es, wenn man sich die staatlich gelenkten Akteure anschaut, die dominanten Einfluss auf wirtschaftliche Strukturen gewinnen. Hier wird gar die Absicherung der Zukunftsfähigkeit der kontrollierten Unternehmen über eigene Forschungs- und Entwicklungsanstrengung negiert:
Deutsche Telekom (aus dem Jahresbericht): „2019 lag der F&E-Aufwand für den Konzern bei 45,4 Mio. € (2018: 57,7 Mio. €).“ – „80,5 Mrd. € „: F&E Quote: 0.06% und fallend.
Commerzbank (aus dem Jahresbericht): „Die Commerzbank Aktiengesellschaft betreibt keine Forschung im Rahmen von selbst geschaffenen immateriellen Vermögensgegenständen, weshalb keine Kosten in diesem Zusammenhang angefallen sind“. F&E Quote: 0.00%
Deutsche Bahn (aus dem Jahresbericht): „Darüber hinaus arbeiten wir im Themenfeld Cybersecurity mit deutschen Universitäten zusammen, um einerseits die Forschung im Thema zu fördern und andererseits unserem gesellschaftlichen sowie unternehmerischen Engagement zur Nachwuchsausbildung nachzukommen.“ Das Wort „Forschung“ kommt genau 1x im Jahresbericht vor – Innovation 10x. F&E Quote: 0.00%.
Deutsche Post (aus dem Jahresbericht): „Forschung und Entwicklung: Da der Konzern als Dienstleistungsunternehmen keine Forschung und Entwicklung im engeren Sinne betreibt, ist über nennenswerte Aufwendungen nicht zu berichten“. F&E Quote: 0.00%.
Nur zum Vergleich sei ein internationaler agierender „Buchhändler“ im Bereich Dienstleistung genannt, der fast 10% des Umsatzes in F&E investiert und mit annähernd 30 Mrd. Euro weltweit auf Platz 1 der Forschungsbudgets von Unternehmen liegt (Amazon).
4) Änderungsbedarf
Die nötigen Änderungen zur Erhöhung der Effektivität und Effizienz im Forschungsbereich seinen im Folgenden skizziert:
Neben den schon bereits oben angesprochenen systemimmanenten Schwächen muss die Fragestellung zur Zukunftsfähigkeit einer Gesellschaft wieder zurück in die Hände der Bürgerinnen gelegt werden. Der Ansatz darf nicht, vermittelt durch Organisationen, lauten: „Wir haben, deswegen können wir…“, sondern vom Bürger aus gedacht „wie bekommen wir…“. Die Natur der Zukunft ist die allgemeine Unbestimmtheit. Wir können mit dieser Unbestimmtheit nur umgehen, wenn wir unsere Bürgerinnen auf eine unbestimmte Zukunft vorbereiten und Techniken und Technologien aus uns heraus erschaffen, um mit dieser Unbestimmtheit umzugehen. Dominierende Strukturen, wie staatliche Einrichtungen neigen dazu, sich selbst replizieren (zu wollen). Dies führt zu Bildungsangeboten, die daraus ausgerichtet sind, staatliche Mitarbeiter hervorzubringen und dortige Belohnungs- und Versorgungsangebote als primär wünschenswert zu erachten. Unsicherheit wird dabei eher als ein Unterstützungsfaktor angesehen, nach diesen staatlichen Angebote zu streben, da diese vor vermeintliche Unsicherheiten und Unbestimmtheiten vorgeben zu schützen. Der Staat steht bei deutschen Schul- und Universitätsabsolventen auf Platz 1 der Berufswahl. Ein Ort, der seine eigene Zukunftsfähigkeit aber nicht durch eigene hohe Innovationskraft und Forschungsanstrengungen für eine Leistungsfähigkeit im Sinne des Eingangszitats absichert. Im Gegenteil: Er versucht seinen Ressourcenzugriff (mit ebenfalls) staatlichen Mitteln auf privatwirtschaftliche Organisationen auszulagern. Interessanterweise erscheint das 3.5%-Prozent Ziel an F&E Ausgaben für staatliche (kontrollierte) Organisationen nicht umsetzbar. Hier wird die eigene, nachhaltige Zukunftsfähigkeit verspielt. Unternehmungsgründungen in Deutschland, die an sich immer zukunftsgerichtet sind, finden interessanterweise überproportional durch Menschen mit Migrationshintergrund statt. Generationsdeutsche zeichnen sich proportional eher nicht durch mutige Unternehmensgründungen aus, obwohl oder gerade weil der Absicherungsgrad für die Unwägbarkeiten des Lebens so stark einhegt zu sein scheint. Generationsdeutsche haben verlernt, mit einem hohen Grad der Unsicherheit umzugehen und diese in unserem Sinne zu beeinflussen. Das dieser Aspekt der Internationalität in dem Ideenpapier sich weder bei den Autoren, noch den genannten Beteiligten widerspiegelt, ist wahrscheinlich die eklatante Schwäche des Ideenpapiers und kann als blinder Fleck – oder besser als „auf ein Auge blind“ beschrieben werden.
Dem Ideenpapier mangelt es an konkreten umsetzbaren und messbaren Forderungen. Hier scheut es den Mut angreifbar zu sein. Um hier nun einmal konkreter zu sein. Es braucht:
A) Massive Investition (>10% Steigerung p.a.) in frühkindliche Bildung
B) Massive Investition in Schulbildung (>10% Steigerung p.a.) unter Berücksichtigung von evidenzbasierten Ansätzen der Unterrichtsvermittlung und transparente Leistungserbringung von Bildungsangeboten. Massive Erhöhung der Fortbildungsmöglichkeiten der Lehrerschaft auf mindestens 2 Wochen pro Jahr (derzeit ca. 70 h in 3 Jahren). Bei der Ausbildung muss ein Fachsemester im Ausland obligatorisch sein, um den internationalen Hintergrund der deutschen Schülerschaft Rechnung zu tragen. Die Rechenschaftspflicht bei der Leistungserbringung muss von den staatlichen Organisationen auf die Eltern- und Schülerschaft übergeben. Staatliche Stellen ist die Aufgabe der transparenten Erhebung der Leistungserbringung zuzuschreiben und hierbei Instrumente an die Hand zu geben, um mit adäquater Ressourcenzuteilung Leistungserbringungen zu ermöglichen. Darüber hinaus müssen die Schulen zukunftsfit gemacht werden, auch im Hinblick der Infrastruktur, die sich nicht nur auf das Digitale fokussieren darf. Auch die physische Infrastruktur ist mangelhaft, was Platz, Lüftung und Klima und Lärmschutz anbelangt – Corona sei Dank, dies einer Mehrzahl der Bevölkerung vor Augen geführt zu haben. Die Möglichkeit, dass es „Hitzefrei“ in Deutschland für Schüler gibt, legt schamlos bauliche Mängel offen, die nicht gerüstet scheinen für die zukünftigen auftretenden Klimaanomalien.
C) Massive Stärkung der Universitäten bezüglich Forschung und Lehre (>10% p.a. erhöhte Mittelzuweisung), sowie die Stärkung des Verhältnisses Student:Professors (derzeit 65:1).
D) Vermeidung, dass Forschungsinstitute private High-Tech Gründungen verhindern oder mit diesen dauerhaft als der subventionierten, staatlichen Leistungserbringung in Konkurrenz treten. Wenn es ein Interesse an der Beantwortung von Fragestellung in der Anwendung gibt (z. B. Diabetes, um die Erkrankung zu verzögern oder sogar zu verhindern), ist diese wettbewerblich und nicht institutionell zu organisieren. Die schnelle, privatwirtschaftliche Umsetzung der Coronaimpfstoffe sollte dies vor Augen geführt haben, dass Lösungsansätze am Besten wettbewerblich zu organisieren sind.
E) Bürger als Akteure beim Setzten der Agenda stärken.
F) Kontrollfunktionen bei der Leistungserbringung erhöhen und geförderte Akteure als Subjekte verstehen, die in dieser Funktion den größten Einfluss auf das Gelingen bezüglich der Forschungseffizienz haben.
G) (Erfolgreiche) privatwirtschaftliche Akteure durch steuerliche Anreize zu repetitiven Verhalten bezüglich Innovation anleiten und so die erfolgreichen stärken. Eigene Leistungserbringung stärken – zufällige Ressourcenzugriff (Erbe) schwächen, und die anfallenden Ressourcen dort wiederum dem Bildungssektor zuführen.
H) Allgemeine Erhöhung des wettbewerblichen Charakters durch transparente Leistungserbringung von staatlichen Akteuren.
I) Firmen mit dominantem staatlichen Einfluss zu einem signifikanten F&E Budget von mindestens 3.5% des Umsatzes bewegen, um zu einer offenen Innovationskultur und nachhaltigen Zukunftsvorsorge beizutragen und damit seine eigene Agenda („Hightech-Strategie“) und dem 3,5% Ziel ernst nehmen.
J) Ministerien mit eigenen F&E Budget ausstatten. Falls hier die Phantasie fehlt: Themen könnten sein: Resilienz von Cyberangriffen. Arbeitsmöglichkeiten unter Katastrophenbedingungen (z. B. Viruspandemien), einfache Leistungserbringungen durch Digitalisierung der Verwaltung und Evaluierung durch die Nutzer, nicht durch die staatlichen Anbieter, Erkennen von unbekannten Betrugsszenarien (z. B. Cum-Ex-Geschäfte) – Lösungsansätze sind wettbewerblich auszuschreiben.
Schlussbemerkung:
Hier soll das selbstgesteckte Ziel des Hightech-Forums noch einmal vor Augen geführt werden: „Das Hightech-Forum ist das zentrale Beratungsgremium der Bundesregierung zur Umsetzung der Hightech-Strategie 2025. Seine Aufgabe ist es, die Forschungs- und Innovationspolitik mit konkreten Handlungsempfehlungen zu begleiten.“
Die Hightech-Strategie 2025 ist heute schon gescheitert, da der Endpunkt nicht mit Ende der Legislaturperiode im Jahr 2021 zusammenfällt und damit die Akteure (Ministerien) sich jeder Leistungskontrolle entziehen (werden) – nichts ist schlimmer für eine Leistungserbringung, das (vermeintliche) Ziel der Erbringung außerhalb seiner eigenen Wirkungszeit zu legen. Darüber hinaus versucht es auf außerstaatliche Akteure zu wirken, statt die dominanten Faktoren im Bremsen der eigenen Innovationskultur zu erkennen und Bremsklötze zuerst bei sich selbst zu beseitigen. Hier läge die Umsetzungsmöglichkeit direkt in eigener Hand und man könnte mit gutem Beispiel vorangehen. Leider werden die Mission(en) der Hightech-Strategie für das eigene Umfeld nicht erkannt. Darüber hinaus gibt es keine konkrete Handlungsempfehlung des Hightech-Forums, hier in diesem Ideenpapier, wie es seine Aufgabe wäre (außer: Clusterwettberwerbe und Bürgerräte). Fürchtet das Gremium möglicherweise, in der nächsten Legislaturperiode nicht mehr berücksichtigt zu sein? Den eingeforderten „Mut, alte Pfade zu verlassen und Neues auszuprobieren.“ kann man hier nur dem Hightech-Forum für seine zukünftigen Aufgaben wünschen. Eine Internationalisierung, Verjüngung, Diversifizierung und Entakademisierung würde hier ein struktureller Anfang sein, der Bundesregierung ein geeigneter Partner bei der kritischen Begleitung jedweder Strategie in der Zukunft zu sein.
5. April 2021 21:20 Kommentar von Prof. Dr. Dieter Jahn, Investorenbeirat High-Tech Gründerfonds
Die Idee, die Bürger verstärkt in den Innovationsdialog einzubinden ist vielversprechend, weil in Vergangenheit und Gegenwart die Ablehnung von neuen Technologien nicht allein der viel gescholtenen Politik, sondern auch der Skepsis und Ablehnung weiter Teile der Bevölkerung zuzuschreiben ist. Dabei ist allerdings sehr darauf zu achten, die Rahmenbedingungen für Innovationen nicht noch komplizierter zu machen, als sie ohnehin schon sind. Für den angestrebten Dialog ist auch notwendig, dass die vielen unbestimmten Begriffe in dem Ideenpapier, wie z.B. „Systeminnovation“ und „Fähigkeitsbündel“ oder „Stakeholder“ (in diesem Zusammenhang) klarer definiert werden.
Die Corona- Pandemie ist ein günstiger Zeitpunkt, den Dialog zu intensivieren, weil sie die Sicht auf die Dinge in vielerlei Hinsicht verändert hat und jeder Bürger jetzt hautnah spürt, welcher Wert Wissenschaft, Innovation und Technologie für unsere Zukunftsvorsorge zukommt. Die Pandemie liefert nun konkrete und eindrucksvolle Beispiele:
Wir Bürger erfahren unmittelbar und individuell den Segen der Gentechnik. Ohne diesen Fortschritt wären wir der Pandemie blind und hilflos ausgeliefert, wie es der Menschheit vor hundert Jahren bei der Spanischen Grippe erging. Es gäbe keine Diagnose und nur völlig unzureichende Vorsorge. Erfolgreiche Vakzine, Antikörpertests, PCR-Tests, alle basieren auf der Gentechnik. Eine erfolgreiche Bekämpfung der Pandemie wäre ohne diese Technologie auch nicht ansatzweise möglich. Damit werden Millionen Menschenleben gerettet!
Moderne Informationstechnologien spielen in der Zukunft ebenfalls eine wichtige Rolle. Die Pandemie hat schmerzliche Defizite in unserem Land aufgedeckt.
Andererseits zeigt das Beispiel BionTech/Pfizer aber auch, was in unserem Lande an wissenschaftlichen Pionierleistungen möglich ist. Deutschland ist Magnet für Talente aus anderen Ländern. Das erfolgreiche Zusammenwirken von technologieorientiertem Start-up Unternehmen mit seiner Kreativität, Flexibilität und Wagnisbereitschaft und einem etablierten Pharmaunternehmen ergibt ein weiteres Lehrbeispiel für ein erfolgreiches Konzept. Die Kooperation zwischen Gründern und Investoren mit einem etablierten Unternehmen mit seiner Erfahrung im Markt, bei der Zulassung, sowie der Produktions- und Logistikerfahrung kann in kürzester Zeit große Probleme innovativ lösen. Keiner der beiden Partner hätte dies alleine geschafft!
Dieses Modell ist in der Pharmaindustrie seit einiger Zeit etabliert und wird zunehmend zum Innovationstreiber in der gesamten Wirtschaft. Die Bundesregierung hat mit dem High-Tech Gründerfonds schon vor 15 Jahren zusammen mit 5 Großunternehmen und der KfW eine sehr erfolgreiche Plattform für derartige Zusammenarbeit geschaffen.
Die in dem Thesenpapier eingeforderte neue Innovationskultur ist dringend notwendig für die Zukunftsfähigkeit unseres Landes. Gerade in der Pandemie haben wir schmerzlich erfahren, dass unsere Stärken wie strukturelles Denken und Handeln, starke Regelbezogenheit und Sicherheitsdenken (Gründlichkeit geht vor Schnelligkeit) an ihre Grenzen stoßen. Diese Tugenden sollten nicht aufgegeben werden, sie werden auch in Zukunft ihre Bedeutung behalten, aber sie dürfen uns im Notfall nicht bei Problemlösungen behindern. Dafür müssen innovative Konzepte erarbeitet werden.
Jede Innovation hat ihren spezifischen Verlauf. Allgemeine Gesetz-mäßigkeiten gelten nur vage. Für den Erfolg sind allerdings drei Bedingungen maßgeblich. 1. Es muss ein innovationsfreundliches Umfeld (bzw. Klima) vorherrschen. 2. Am Anfang stehen Vision und Kreativität im Vordergrund. 3. Für ein erfolgreiches Ende sind dann Organisation und Struktur notwendig. Bei der Entwicklung aller Impfstoffe lässt sich dieses Muster überzeugend erkennen.
In diesem Zusammenhang sei an das Motto der deutschen Fußball-Nationalmannschaft beim Gewinn der Weltmeisterschaft in Brasilien erinnert: „Ein guter Anfang braucht Begeisterung, ein gutes Ende Disziplin“. Der Satz stammt von Prof. Hans-Jürgen Quadbeck-Seeger, ehemaliger Forschungsvorstand der BASF und Innovationsexperte in Theorie und Praxis. Es entstand aus der Erfahrung mit einem erfolgreichen Forschungsprojekt, das kurz vor dem Scheitern stand.
9. April 2021 23:30 Kommentar von Kai Lamottke
Danke, Herr Prof. Jahn für die Kommentare hier. Ich darf nur eine Einschränkung machen bei der Pandemie-Erfahrung und unserem Staatswesen „…haben wir schmerzlich erfahren, dass unsere Stärken […] Sicherheitsdenken (Gründlichkeit geht vor Schnelligkeit) bezüglich „Gründlichkeit“ ich diese nicht Erkennen kann. Weder waren wir hier ja schnell, noch gründlich. Wir waren schlicht heillos überfordert und sind es nach einem Jahr noch immer.
31. März 2021 9:57 Kommentar von Michaela Löffler, N² Advisory Board Member
Eine Förderung und Verbesserung der Innovationskultur ist zu begrüßen, allerdings sollten hierbei Aspekte der nachhaltigen Personalstrategie nicht vernachlässigt werden. Die Personengruppe, die diese Innovationen in der Wissenschaft vorantreiben soll, besteht aus Promovierenden. Diese lassen nach der Promotion meist die Wissenschaft hinter sich – wegen prekärer Arbeitsbedingungen und fehlender Perspektiven und Mangel an Positionen.
27. März 2021 11:54 Kommentar von Prof. Dr.-Ing. C.M. Thurnes - Kompetenzzzentrum www.OPINNOMETH.de an der HS Kaiserslautern
Viel Wahrheit und Weisheit stecken in diesem Papier. Die Richtung ist deutlich erkennbar und unbestreitbar wichtig und richtig. Der hohe Abstraktionsgrad zeigt auf, wo es hingehen soll. Als Professor mit Praxisnähe bin ich froh, obgleich auf anderer Ebene, auf dem gleichen Weg zu sein und sehr gespannt auf die konkreten Etappen, Teilziele, Mittel und Werkzeuge.
25. März 2021 9:50 Kommentar von Dr. Ingmar Kumpmann / Deutscher Gewerkschaftsbund (DGB)
Eine starke Partizipation in Innovationsprozessen ist unbedingt zu begrüßen. Sie muss insbesondere auch die Beschäftigten in den Unternehmen einschließen. Sie bringen ein Wissen ein, das aus der unmittelbaren Praxis stammt und dadurch von Anfang an die rein technischen Abläufe überschreitet und Arbeitsorganisation, Arbeitsbedingungen bis zum Qualifizierungsbedarf umfasst. Darauf sollte im Innovationsprozess keinesfalls verzichtet werden.
19. März 2021 11:33 Kommentar von Gorgi Krlev, Universität Heidelberg
Man kann den Positionen nur vollumfänglich zustimmen, sie gehen alle in die richtige Richtung. Jetzt heißt es an konkreten Modellen für die Umsetzung zu arbeiten. Dafür sind drei Punkte, die auch im Papier angesprochen, aber bisher nicht vertieft werden wichtig:
1. Es geht nicht nur um einen gemeinsamen Dialog, sondern um gemeinsames Tun. Dem stehen nicht nur Förderstrukturen, sondern mangelnde Freiräume für ergebnisoffene (!) Interaktion und auch sprachliche Barrieren zwischen Akteuren aus unterschiedlichen Sektoren im Weg. Um diese zu überwinden braucht es Brückenbauer*innen. Diese gilt es zu finden und zu unterstützen.
2. Ein Konsens muss das Ziel sein, aber wir brauchen auch mehr produktiven Dissens, um zu einem Rahmenwerk und konkreten Zielen zu kommen, die es schwerer machen Dinge zu behaupten, die nicht praktisch umgesetzt oder eingehalten werden (Stichworte green, white und impact washing). Teil davon müsste sein ehrlich zu thematisieren, dass Win-Win nicht überall möglich sein wird bzw. dass es eine Langzeitstrategie braucht, um dort hinzukommen.
3. Um eine solche Strategie zu ermöglichen, braucht es klare Rahmenwerke und auch, wenn nicht immer staatliche Regulierung, so doch Leadership vonseiten der Politik. Normativität wird im Papier angesprochen und ist essenziell, wird aber oft mit dem Argument abgelehnt, dass zu viele Freiheiten eingeschränkt würden. Jedoch bedarf es, um Freiheit auf Dauer zu befördern an vielen Stellen einen umfassenden Systemwandel.
18. März 2021 9:45 Kommentar von Dr. Stefan Heumann, Mitglied des Vorstands, Stiftung Neue Verantwortung e.V.
Ich unterstütze die Forderung nach partizipativen Innovationsprozessen. Um ihre Potenzial auszuschöpfen, müssen sie allerdings in politische Prozesse und nachhaltige Förderstrukturen eingebunden werden. Der Anreiz sich in solche Prozesse einzubringen wird nur ausreichend gegeben sein, wenn sichergestellt ist, dass die Innovationen auch aufgegriffen und umgesetzt werden.
17. März 2021 17:00 Kommentar von Arno D. Tomowski
In der vorliegenden Fassung des Papiers werden NEUE Prozesse, die Einbindung NEUER Akteure und NEUE Initiativen gewünscht. In Ministerien und öffentlichen Institutionen, die ohne den in der Wirtschaft überlebensnotwendigen Zwang zum Wandel seit Jahrzehnten mit zunehmender Bürokratisierung gewachsen sind, ist eine Beharrlichkeit entstanden, die die Bewahrung von Pfründen und Privilegien zur oberen Priorität macht und Innovationen behindert. Wer NEUES fordert, sollte auch Stellung zum Abschneiden alter Zöpfe in den Umsetzungsorganisationen von Politik beziehen. Wir brauchen mehr Interdisziplinarität und weniger Ressortdenken, um die komplexen Herausforderungen erfolgreich und effizient bewältigen zu können.
17. März 2021 16:14 Kommentar von Klaus Burmeister, foresightlab
Um Systeminnovationen in den Fokus zu nehmen, braucht es vernetztes Denken und experimentelles Handeln in offenen Innovationsökosystemen. Dazu bedarf einer F&I-Politik, die eine breite Teilhabe (von KMU über Startups und Kreative bis zum Nutzer*innen und
Bürger*innen) zur (Mit)Gestaltung einer nachhaltigen Transformation eröffnet und einen entsprechenden gemeinwohlorientierten Rahmen für eine digitale und sozial-verantwortliche Souveränität lernend schafft.
17. März 2021 14:39 Kommentar von Christian Patermann
Sehr gute und richtige Ziele, von denen wir schon ganz oft ganz viele ähnliche hatten. Die Forschung in D boomt, aber sie wird nicht umgesetzt, und wenn, dann viel viel zu spät. Das wird während der Pandemie von Monat zu Monat deutlicher. Wir brauchen nicht nur eine offene InnovationsKULTUR, die sich allerdings auch eigene Governance Regeln geben muß, sondern wir brauchen Agieren, Handeln, Umsetzen, selbst wenn es mal eine Pleite geben kann. Das bedingt aber eine grundsätzliche neue, auch offenere Haltung zum Risiko , auch in den Medien und insbesondere in der Zivilgeselllschaft, weniger Schadenfreude und Bissigkeit in der Kommentierung , nicht Übermut, sondern Mut.Und so lange wir dies nicht erreichen, dies nicht akzeptiert haben, fürchte ich, daß die besten Ideen und auch gutgemeinten Forderungen nur die Forschung voranbringen, nicht aber die Gesellschaft. Die Pandemie sollte uns hier wirklich zum Überdenken, zum Nachdenken bringen.Schließlich ist es der deutschen Gesellschaft doch auch gelungen, eine in der Geschichte bisher einmalige “ Wiedervereinigung “ zu bewerkstelligen